vom 27.09.2010 Das „Kindeswohl“ fängt vor seiner Entstehung an! Gemeinsame Sorge ab Geburt - wider der sogenannten "Antragslösung" und "Widerspruchslösung" Die Selbsthilfegruppe PAS Rhein/Main fordert die Gemeinsame Sorge ab Geburt für alle Elternteile, nachdem das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 21. Juli 2010 – 1 BvR 420/09 – die Alleinsorge der Mutter bei nicht-ehelichen Kindern als Verstoß gegen Menschenrechtskonvention und Grundgesetz gewertet hat. Nach diesem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ist die Politik nun gefordert, eine gesetzliche Regelung zur Gemeinsamen Sorge für nicht-eheliche Väter einzuführen. In der öffentlichen Diskussion werden neben der Gemeinsamen Sorge ab Geburt auch die sogenannte „Antragslösung“ oder „Widerspruchlösung“ diskutiert. Die „Antragslösung“ sieht weiterhin die generelle Alleinsorge der Mutter vor, mit der Möglichkeit des Vaters, dagegen gerichtlich vorzugehen, darzulegen und zu beweisen, dass die Gemeinsame Sorge „dem Kindeswohl diene“. Die „Widerspruchslösung“ sieht das automatische Gemeinsame Sorgerecht vor mit der Möglichkeit der Mutter, dagegen Widerspruch einzulegen, was dann in der Folge zum gleichen Prozess führt, wie bei der Antragslösung. Beiden Lösungen gleich ist, dass die Mutter in jedem Fall das Sorgerecht bekommt. Der Vater hingegen muss erst nachweisen - was offensichtlich bei Müttern unumstritten ist -, dass auch sein „Mitmischen“, dem Wohle seines Kindes dienen könnte. Die Selbsthilfegruppe PAS Rhein/Main lehnt sowohl die „Antragslösung“, als auch die „Widerspruchlösung“ ab und fordert die Gemeinsame Sorge ab Geburt. Die „Antragslösung“ als solche ist in sich widersprüchlich und zudem schädlich. Sie ist schädlich, denn es ist offensichtlich, dass die „Antragslösung“ dazu führt, dass die Beziehung der Eltern untereinander staatlich gefördert zerstört wird. Der Vater, der die Gemeinsame Sorge auch ohne die Zustimmung der Mutter ausüben will, ist gezwungen ein Gerichtsverfahren einzuleiten. Dabei führt das Bundesverfassungsgericht hierzu in seiner Beschlussbegründung ausdrücklich aus: „Die dem geltenden Recht zugrunde liegende Annahme des Gesetzgebers, dass die Zustimmungsverweigerung von Müttern in aller Regel auf einem sich nachteilig auf das Kind auswirkenden elterlichen Konflikt basiert und von Gründen getragen ist, die nicht Eigeninteressen der Mutter verfolgen, sondern der Wahrung des Kindeswohls dienen, hat sich nicht bestätigt.“[1] Sie ist widersinnig, denn die Grundidee ist, dass vor allem Väter, die kein Interesse am Kind haben, auch kein Sorgerecht haben sollte. Aber gerade in dem Moment, in dem ein Vater den Antrag stellt, bezeugt er Interesse. Genau dies müsste in der logischen Konsequenz zu einer automatischen gerichtlichen Festlegung des Gemeinsamen Sorgerechtes führen. Dies wird aber nicht in Betracht gezogen. Stattdessen soll es zu einem Verfahren kommen. Ebenso fatal ist die sogenannte „Widerspruchslösung“: Sie unterscheidet sich nur dadurch von der „Antragslösung“, dass die Mutter einen Brief an das Jugendamt oder Gericht schreibt, sie sei mit der Gemeinsamen Sorge nicht einverstanden und trete dadurch das gerichtliche Amtsverfahren los mit den gleichen Folgen wie bei der „Antragslösung“. Die Beziehung zwischen den Elternteilen wird zerstört, und wiederum muss der Vater darlegen und beweisen, dass die Gemeinsame Sorge und sein erhöhter Einsatz „dem Kindeswohl dient“. Und die sogenannte „differenzierte Widerspruchslösung“ des Deutschen Juristinnenbundes (DJB) ist eine verkappte Antragslösung. Das Motto für den Vater heißt also in beiden Fällen, „Friss‘ oder stirb!“. Entweder der Vater muss die Alleinsorge der Mutter gegen seinen Willen hinnehmen („Friss‘“) oder die Beziehung (sowohl auf Paar- wie auf Elternebene) zur Mutter wird durch ein Gerichtsverfahren zerstört („Stirb‘“). Wobei man im angesichts der aktuellen Rechtsprechung davon ausgehen kann, dass die überwältigende Mehrheit dieser Verfahren zu einem Alleinigen Sorgerecht für die Mutter führen wird, denn genau diese erzwungenen Gerichtsverfahren zerstören die Basis für eine mögliche Gemeinsame Sorge. Der § 1671 BGB regelt bereits die Möglichkeit auf Antrag, die Alleinsorge zu bekommen, setzt aber als Voraussetzung, dass beide das gemeinsame Sorgerecht haben. Dann findet eine gerichtliche Prüfung von Amts wegen statt, ob die Übertragung der Alleinsorge z. B. auf die Mutter dem Kindeswohl am besten entspricht. Einer „Widerspruchslösung“ bedarf es also auch nicht, außer um die Mutter wieder von Anfang an in eine bessere Ausgangssituation zu bringen. Die aktuelle Gesetzeslage und auch die vorgeschlagenen Veränderungen entsprechen in keinster Weise der gesellschaftlich geforderten Gleichstellung von Mann und Frau. Man denke nur an die bis dato von Frauen geforderte Gleichstellung. Bis in die 50er Jahre hinein durfte eine Ehefrau nur dann arbeiten, wenn der Ehemann zustimmte. Heutzutage lacht man vermutlich darüber. Dass es ein aktives und passives Wahlrecht für Frauen gibt ist schon lange natürliche Selbstverständlichkeit. Wenn jemand heute fragen würde, ob denn Frauen geeignet seien, sich in politische Ämter wählen zu lassen, oder ob denn die Politik besser geworden ist, weil es dort Frauen gebe, dann würden solche Fragen nur völliges Unverständnis auslösen. Aber analog dazu werden heutzutage solche Fragen bzw. Unterstellungen den Vätern gegenüber bezüglich Pflege und Erziehung ihrer Kinder gemacht. Das ist genauso lächerlich wie die damaligen Vorbehalte gegenüber Frauen. Zudem wurden und werden für die Unterstützung der Frauen und Mütter in Beruf und Politik über die Jahre Milliarden an Steuergeldern eingesetzt und es sind Quotenregelungen eingeführt worden. Für die Väter fehlt dies alles. Die Selbsthilfegruppe meint, dass die Befürworter einer „Widerspruchslösung“ oder „Antragslösung“ den wesentlichen Punkt nicht wahrnehmen würden oder verstünden: Das Wohl des Kindes, fängt vor seiner Entstehung an: Will eine Mutter bereits bei der Geburt des Kindes nicht die gemeinsame Sorge, dann liegt es daran, dass sie mit dem Vater das Kind nicht gemeinsam erziehen will oder kann. Sie weiß also bereits während der Schwangerschaft, dass entweder der Vater kein Interesse am Kind hat oder dass sie kein Interesse an diesem Mann als Vater ihres Kindes hat. Und damit stellt sich die Frage, warum ist sie überhaupt schwanger geworden ist? Wollte sie einfach ein Kind, aber keinen Vater, hatte sie keine Lust zu verhüten oder wollte sie den Mann an sich binden, etc.? Man muss also von, Verantwortungslosigkeit, Gedankenlosigkeit oder/und Egoismus ausgehen. Alles keine idealen Voraussetzungen, um ein Kind alleine oder überhaupt zu erziehen. Es zwingt sich der Gedanke auf, dass der Gesetzgeber sich aus der Verantwortung für die Kinder stehlen und seinen Arbeitsaufwand reduzieren möchte, in dem er einfach ungeprüft die Sorge der Mutter überlässt, aber für jeden nicht-ehelichen Vater enorme Hürden aufstellt. Dabei hat der Gesetzesgeber Recht, wenn er die Verantwortung von sich weist, denn diese liegt tatsächlich bei den Eltern, aber halt bei beiden. Somit wäre der einzig richtige Ansatz “Ihr habt zusammen ein Kind, also kümmert euch gemeinsam darum und sorgt für eine gute Lösung, denn es hat euch keiner dazu gezwungen das Kind zu zeugen.“: „Das Kindeswohl fängt vor seiner Entstehung an.“ Weiterhin ist zu berücksichtigen: Die Familiengerichte sind überlastet. Die vorgeschlagenen „Antragslösung“ und „Widerspruchslösung“ führen somit automatisch zu außerordentlich mehr Gerichtsverfahren als die automatische Gemeinsame Sorge ab Geburt, weil hiermit das Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten der Alleinsorge festgelegt wird. Nach der weiterhin bestehenden und vorhandenen Regelung des § 1671 BGB zur Übertragung der Alleinsorge – die völlig ausreicht - kommt es nur im Streitfalle/Ausnahmesituationen zu Gerichtsverfahren - und Gerichtsverfahren sollten nur als „Ultima Ratio“ zum Zuge kommen. Die Gemeinsame Sorge ab Geburt ist somit auch im Sinne des Subsidaritätsprinzip des Grundgesetzes, während dies bei der Antrags- oder Widerspruchslösung nicht der Fall ist. Wir meinen: Grundsätzlich sollen beide Eltern gleichgestellt werden. Nur im Ausnahmefall kann und darf überlegt werden, ob ein alleiniges Sorgerecht sinnvoll wäre. Aber auch hier müssen Vater und Mutter gleichgestellt werden. Letzteres geht nur, wenn die Ausgangssituation gleichberechtigt ist. Und dafür besteht der erste Schritt darin, Vater und Mutter als das zu respektieren, was sie sind, nämlich Vater und Mutter dieses Kindes. So einfach sich dies auch anhört, so schwierig scheint es zu sein. Aber genau hier darf man niemanden aus seiner Verantwortung herauslassen.[1] Quelle: BVerfG, 1 BvR 420/09 vom 21.7.2010, Absatz-Nr. (1 - 78), http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20100721_1bvr042009.html ----- Die Stellungnahme als PDF-Datei zum Download: SHG-PAS-Rhein-Main_Stellungnahme_Gemeinsame-Sorge_9-2010.pdf Diese Stellungnahme darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden zu den folgenden Bedingungen: Namensnennung: Sie müssen den Namen des Autors/Rechteinhabers "Selbsthilfegruppe PAS Rhein/Main ( http://www.pas-rhein-main.de/ )" in der von ihm festgelegten Weise nennen. Keine Bearbeitung: Dieses Werk bzw. dieser Inhalt darf nicht bearbeitet, abgewandelt oder in anderer Weise verändert werden. |
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